„Meine Stunden mit Leo“ – eine Filmempfehlung

Habt ihr schon die Komödie „Meine Stunden mit Leo“ gesehen? Wir schon! Die wunderbare Emma Thompson spielt die pensionierte Religionslehrerin und Witwe Nancy Stokes, die sich nach einem bisher unerfülltem Sexleben Zeit mit dem Sexarbeiter Leo Grande, gespielt von Daryl McCormack, bucht. Doch Nancy Stokes packt beim ersten Treffen im Hotelzimmer die Unsicherheit: Ist sie als Frau in der Menopause zu alt, ihr Körper nicht begehrenswert? Und überhaupt: Macht Leo Grande seine Arbeit wirklich freiwillig oder ist er vielmehr Opfer eines ausbeuterischen Systems? Die beiden verwickeln sich in Gespräche, die später in einem Streit münden – dabei wird wie nebenbei der gesellschaftliche Diskurs über Sexarbeit aufgearbeitet. 

Die Süddeutsche schreibt hier passend: „Nancys Zweifel, ihre Wünsche und Überlegungen beinhalten im Grunde den kompletten zeitgenössischen Diskurs über Sexarbeit und deren moralische Verortung zwischen Kriminalität, Missbrauch, Wellness und Therapie.“ 

Die eigene Beziehung zum Körper, Orgasmen, die Sexualität von Menschen mit Behinderung, Kinks, das Entdecken der sexuellen Lust – all diese Themen finden über den Film ihren Weg auf die Leinwand. Die im Diskurs wenig besprochene Perspektive tut sich auf: Zeit mit Sexarbeiter*innen kann für Menschen Empowerment bedeuten. Sexarbeit kann die Möglichkeit für Kund*innen eröffnen, sexuelle und intime Erfahrungen zu machen und ihre Sexualität mit anderen auszuleben. Unbedingt zu berücksichtigen ist dabei: Sexarbeit als einvernehmliche Dienstleistung ist klar abzugrenzen von Minderjährigenprostitution und Menschenhandel. 

Nichtsdestotrotz drängt sich die Frage auf, wie der Film besprochen werden würde, wenn es nicht eine Frau in der Menopause wäre, die Zeit mit einem jungen Sexarbeiter bucht, sondern beispielsweise ein Cis Mann und eine junge Sexarbeiterin, die einer weiteren marginalisierten Gruppe angehört. Die Privilegien von weißen, heterosexuellen Cis Menschen, die sich das Inanspruchnehmen von Sexarbeit finanziell leisten können, wurden ebenso wenig thematisiert wie die intersektionale Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen, die Rassismus- oder andere Diskriminierungserfahrungen machen – eine vertane Chance in meinen Augen. 

Wie ist eure Meinung zu dem Film? Lasst es uns in den Kommentare wissen. Den Link zum Trailer gibt’s hier.

Good luck to you, Leo Grande (EN) – UK 2022 – Regie: Sophie Hyde. Buch: Katy Brand. Mit: Emma Thompson, Daryl McCormack, Wild Bunch, 97 Minuten. Kinostart: 14.7.2022