8 März ist jeden Tag!

8. März, feministischer Kampftag – von Kampf hört man gerade genug. Wir haben uns in der Redaktion seit dem 24. Februar (der Tag, an dem Russland in die Ukraine einmarschierte) dazu entschlossen, keine Posts mit Vereinsthemen auf Social Media zu machen, weil der Krieg gegen die Ukraine Sichtbarkeit braucht und Informationen geteilt und schnell zugänglich sein sollen. Dann kam die Frage auf, wie wir mit dem 08. März verfahren. Der Krieg ist da und wenn man die Nachrichten verfolgt, wird klar: Er wird es aller Voraussicht nach auch bleiben. Wann also der ‚richtige‘ Zeitpunkt ist, um zum Tagesgeschäft überzugehen, bleibt ein offenes Rätsel.

Drei Gründe, wieso wir es wichtig finden , uns gerade zum 8. März zu Wort zu melden, sind diese hier:

8. März ist politischer Kampf

Feministischer Kampftag ist wichtig. Feministischer Kampftag muss sichtbar sein. Feministischer Kampftag ist intersektional. Und das heißt, feministische Kämpfe in ihrer Vielfalt wahrzunehmen. Der 8. März ist politischer Kampf gegen das Patriarchat und die unterschiedlich aussehende Gewalt, die damit einhergeht und sich am stärksten gegen FLINTA*-Personen (also Frauen, Lesben, inter, nonbinäre, trans und agender Personen) richtet. Und selbst innerhalb dieser Gruppe trifft es manche härter als andere. Durch diese Vielfalt kann es schwierig sein, den Überblick zu behalten, wofür genau jetzt eigentlich gekämpft wird. In den Grundzügen der Forderungen dieses Kampftages 1908 ging es zum Beispiel um Gleichberechtigung oder das Wahlrecht für Frauen. Aber Gleichberechtigung, das Thema ist ja durch, oder nicht?
Sorry, aber: LOL. Es gibt immer noch einige Staaten auf dieser Welt, in denen die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht einmal gesetzlich verankert ist. Und obwohl Deutschland diese gesetzliche Gleichberechtigung in der Verfassung stehen hat, gibt es viele Bereiche, in denen der Alltag anders aussieht. Erst gestern, am 7. März, war wieder Equal Pay Day, quasi das Poster-Girl feministischer Forderungen. Hier muss jedes Jahr auf’s Neue durchgekaut werden, dass nicht nur gleicher Lohn für gleiche Arbeit, sondern auch die bessere Bezahlung in Bereichen, die weiblich konnotiert sind, immer noch eine unerreichte Forderung ist. Neben gerechter Bezahlung sind weitere Kernthemen des 8. März beispielsweise sexualisierte und körperliche Gewalt gegen FLINTA‘s , Femizide (Morde von Männern an Frauen, denen sie nahestehen oder standen, z.B. Ex-Partner*innen) oder das Recht auf Schwangerschaftsabbruch und Zugang zu Verhütungsmitteln. Auch für gleiches Recht auf Bildung und gesellschaftliche wie politische Teilhabe wird gekämpft. Uff, wie können wir es schaffen, diese ganzen Forderungen und Themen unter einen Hut zu bringen, und das auch noch in einer Zeit, in der die politische Lage so fragil wirkt wie lange nicht mehr?

Das bringt uns zum nächsten Punkt:

Patriarchat zieht sich auch durch Krieg

Muss eigentlich immer alles mit allem zu tun haben? Eine streitbare Frage; in diesem Fall lautet die Antwort jedoch ganz klar: Ja, muss leider. Ganz konkret sieht man das an Szenen, die sich an der ukrainischen Grenze abspielen. Väter müssen sich von ihren Familien verabschieden, da sie das Land nicht verlassen dürfen. Sie müssen in einem Krieg kämpfen, einfach nur, weil sie Männer sind. Auch das ist Patriarchat. Und: Auch das betrifft Frauen. Zum Beispiel trans* Frauen, die im Pass noch einen männlichen Geschlechtseintrag haben, dürfen ebenfalls nicht fliehen und sehen sich zum Kriegsdienst verpflichtet. Diesen müssen sie dann ableisten in männlichen Militärriegen gegenüber einer Armee, die von einem queerfeindlichen Putin ins Land geschickt wurde.

Apropos queerfeindlicher Putin – in seiner historischen Rede fallen ein paar Sätze, die Deniz Yücel in einem Artikel nochmal genau unter die Lupe genommen hat: Putin redet dort von der Zerstörung traditioneller Werte, von Pseudowerten, die dem russischen Volk aufgezwungen werden sollen und es von innen heraus zersetzen, von Degradierung und Entartung durch Werte, die nach seiner Auffassung gegen die menschliche Natur gerichtet sind. Na, klingelt’s schon? Auch wenn hier nicht direkt ausgesprochen wird, um was es gehen soll, ist klar, dass mit diesen „Pseudowerten“ vor allem queere, progressive Lebensentwürfe gemeint sind, gegen die das russische Regime seit Jahren aktiv hetzt. Freiheitliche, vor allem als westliche gesehene Ideale werden hier als Entartungen markiert, gegen die es anzukämpfen gilt. Die Idee, die vonseiten Russlands derzeit aufgebaut wird, wieder ein großrussisches Reich zu errichten, geht stattdessen einher mit Idealen wie Heimat, Tradition und Nuklear-Familie, also Mutter, Vater, Kind. Queere Menschen sind hier das Feindbild, welche dieses Leitbild nach Aussage Putins zerstören wollen. Mit dieser Angst vor Queerness und allem, was sich gegen Heteronormativität stellt, geht nach Yücels Ausführungen auch ein ausgeprägter Männlichkeitskult einher. Wer da nicht direkt an Putin oberkörperfrei auf schwarzen Hengsten denken muss, war in den letzten Jahren zu wenig auf Social Media unterwegs. Dieses Bild von Männlichkeit passt auch zum politischen Klima, das derzeit die Nachrichten dominiert. Nur Reden hat sich nicht bewährt, stattdessen gilt nun: mehr Militär, mehr Disziplin, mehr Härte, Dominanz zeigen! In diesem Zuge ist auch immer öfter die Rede von einer Verweichlichung oder gar Verweiblichung der westlichen Welt und ihrer politischen Diskussionen, die teilweise unterschwellig für den tobenden Krieg verantwortlich gemacht werden (zu der Verknüpfung von Weiblichkeit und Schwäche, die dieses Narrativ aufmacht, sagen wir jetzt mal nichts weiter). Und damit kommen wir zum dritten Punkt:

Gesellschaftliche Kämpfe gegeneinander ausspielen? Really?

„Statt um die Interessen von Minderheiten müssten wir uns jetzt mal wieder um die wirklichen Probleme kümmern“, zu dieser Aussage kann man sich in Zeiten wie diesen schnell hinreißen lassen. Und dann kommt man zu der Frage: Was ist essenziell für eine Gesellschaft, in der wir leben wollen? Auch wenn es hier wenig universelle Antworten geben mag, Frieden und Gleichberechtigung sollten dann doch auf der Hand liegen. Bei der konkreten Umsetzung kann es mit der Konsensfindung dann schon schwieriger werden. Aber genau deshalb ist es wichtig, sich nicht der Falle hinzugeben, dass das eine Thema wichtiger ist als das andere. Im Zweifel hängen sie sogar zusammen. Wir sollten uns also mit unseren Interessen nicht aus-, sondern zusammenschließen und solidarisch für eine gerechtere Welt kämpfen. Passender Side-Fact: 1913 und 1914, zur Zeit des Ersten Weltkriegs, wandelte sich der Internationale Frauentag zum Protesttag gegen den Krieg, weil kritische Frauenveranstaltungen nicht erwünscht waren. Da haben wir heute die Chance, es anders zu machen. Vielleicht geht es in diesem Jahr eher darum, das was schon erreicht wurde, zu verteidigen. Aber das sollte uns nicht davon abhalten, im Auge zu behalten, was wir noch erreichen wollen. Deshalb gilt für uns: 8. März ist jeden Tag!