Bin ich nicht feucht genug oder ist es Vaginismus?

„Du bist doch bestimmt nur zu trocken.“ „Hast du‘s schonmal mit Gleitgel probiert?“ „Also mein erstes Mal war auch unangenehm.“ „Tut das wirklich so weh? Kann ich mir nicht vorstellen.“ „Was ist, wenn du einfach mal versuchst locker zu lassen?“

Das alles waren lieb gemeinte Vorschläge, die mir gegeben wurden, damit ich mich besser fühlen sollte. Leider bewirkten sie bei mir genau das Gegenteil. Und zwar vermittelten sie mir das Gefühl, dass die sexuelle Schmerzerkrankung Vaginismus, an der ich leide, nicht ernst genommen wird. Denn: JA, ich habe schonmal Gleitgel verwendet. JA, ich versuche jedes Mal mit aller innerlicher Kraft locker zu lassen und JA, es tut SO weh.

Natürlich ist mir bewusst, dass mir meine Freund*innen mit diesen Ratschlägen nur helfen wollten, weil sie zu dem Zeitpunkt noch nie von dieser Krankheit gehört hatten und nicht nachvollziehen konnten, dass Sex so weh tun kann. Umso wichtiger ist es, darüber aufzuklären. 

Ich leide unter dem sogenannten primären Vaginismus. Das heißt, es gab kein ausschlaggebendes Ereignis in meinem Leben, das diesen ausgelöst hat, sondern er entstand bei mir unter anderem durch eine große Angst nicht zu genügen, die mich täglich in vielen verschiedenen Lebensbereichen schon seit Jahren begleitet. Zudem hatte ich, als ich mit 13 Jahren meine Periode bekam, eine sehr negativ behaftete Beziehung zu meinem Intimbereich, welchen ich mit allergrößter Scham und Angst verband. Da ich meinen Intimbereich damals ausschließlich mit emotionalem Stress verknüpfte, setzte sich dies so in meinem Kopf fest, dass es meinen heutigen Bezug zu meinem Sexualleben immer noch beeinflusst, auch wenn ich jetzt sehr positiv meinem Intimbereich gegenüber eingestellt bin.

Dann kam mein erstes Mal penetrativer Sex. Ich wollte es unbedingt und versuchte es mit aller Kraft. Aber es ging einfach nicht. Ich dachte es läge daran, dass mein Hymen zu dick wäre und einfach nicht reißt. Dass dies sowieso ein absoluter Irrtum war, da das Hymen keine verschlossene Haut ist, sondern eher eine Art Kranz hinter dem Vaginaleingang, war mir damals nicht klar (alles rund um das Hymen kannst du in unserem AHA-Post vom 22.02.2021 nachlesen).

Als es dann nach etlichen schmerzhaften Versuchen endlich funktionierte, dass zumindest jemand in mich eindringen konnte, war ich so glücklich, dass ich nicht weiter darüber nachdachte. Erst eine ganze Weile später hörte ich zum ersten Mal den Begriff „Vaginismus“. Damals dachte ich aber, dass es sich nur um Vaginismus handeln könne, wenn man absolut nichts in die Vagina einführen kann. Nicht mal, als mir dieser Irrtum dann bewusst wurde, setzte ich meine Probleme beim penetrativen Sex mit dieser Erkrankung in Verbindung. Vaginismus war für mich ganz weit weg, obwohl ich jedes Mal, wenn eine Person in mich eindrang, das Gefühl hatte, von innen aufgespießt zu werden (ja hört sich dramatisch an, hat sich aber leider so angefühlt). 

Interessant wurde es, als ich eine Zeit lang mit jemandem intim war, bei dem ich keinen Druck verspürte zu genügen. Die Person lag mir nicht sonderlich am Herzen bzw. hatten wir keinen emotionalen Bezug zueinander. Und plötzlich klappte es mit der Penetration ohne große Probleme. Meistens sogar schmerzfrei.

“Was war da falsch? Warum hatte ich bei der einen Person höllische Schmerzen und bei der anderen wiederum gar keine?” dachte ich mir. Hätten diese sich anatomisch unterschieden, hätte ich ja eine logische Erklärung gehabt, nur war es nicht so. Da war der Punkt erreicht, an dem mir zum ersten Mal bewusst wurde, dass dies keine körperliche Ursache haben kann. 

Meine Diagnose „Vaginismus“ bekam ich dann etwa ein halbes Jahr später. Ich erzählte meiner Gynäkologin von meinen Problemen und sie fand heraus, dass ich an dieser Krankheit leide. Wäre ich früher dort gewesen, hätte ich mir vielleicht 1,5 Jahre Rätseln sparen können, aber zumindest wusste ich endlich was mit mir los war und fing an, mich mit Behandlungsmöglichkeiten zu beschäftigen. Ich las ein Buch über die Erkrankung, kaufte mir Vaginaldehner, auch bekannt unter dem Begriff „Dilatoren“ und fing an, meine Beckenbodenmuskulatur zu trainieren. Schritt für Schritt wurde es besser. 

Ich lebe bis heute mit dieser Erkrankung und habe leider noch keinen Weg gefunden, meinen Vaginismus endgültig zu besiegen. An manchen Tagen habe ich gar keine Schmerzen, an anderen nur anfangs und manchmal wiederum halte ich es nicht aus. Ich habe für mich gemerkt, dass dies ganz viel mit meiner psychischen Verfassung zusammenhängt. Je selbstbewusster ich mich fühle, umso besser funktioniert der penetrative Sex und umso mehr kann ich mich dabei entspannen. Bei mir ist es eine Sache des Selbstwertgefühls und des Gefühls, nicht zu genügen. Es ist wahnsinnig schwierig.

Also an alle lieben Menschen da draußen, denen schonmal ein*e Freund*in mit weiblichem Geschlechtsorgan anvertraut hat, dass er*sie Schmerzen beim Sex hat oder es überhaupt nicht funktioniert: Ja, Gleitgel kann helfen. Aber manchmal liegt das Problem etwas tiefer, als „nur“ bei einer zu trockenen Vagina.