Alle Rezensionen

Gender-Kram ist wichtiger Kram! Zuhören, lernen, verstehen und selbst hinterfragen ist das Motto im Buch von Louie Läuger, das wir ständig wieder zur Hand nehmen, wenn wir gute Definitionen oder Antworten brauchen.

Louie Läuger: Gender-Kram – Illustrationen und Stimmen zu Geschlecht

First things first: was haben wir gelesen?

In „Gender-Kram“ sammelt Louie Läuger Illustrationen und Stimmen zu Geschlecht. Das im Jahr 2020 veröffentlichte Buch entstand im Rahmen von Louies Masterstudium. Louie ist Kultur- und Medienpädagog*in, Aktivist*in des queeren und intersektionalen Feminismus und schreibt und illustriert für das *innenAnsicht-Magazin. Außerdem leitet Louie Workshops und Seminare über Geschlechtergerechtigkeit und verschönert auf @tenderrebellions unseren Instagram-Feed mit Kunst. Auf 232 Seiten liefert Louie unglaublich viel Input zum Thema Geschlecht. 

Gibt es denn so viel zum Thema Geschlecht zu sagen?

Hui, und wie! Wer auch nur zehn Seiten in diesem Buch gelesen hat, weiß jetzt, dass dieses Thema auch deutlich mehr als 232 Seiten füllen könnte. Louie bereitet für uns die Basics auf: Was ist sex und was gender? Was bedeutet Intersektionalität? Was ist damit gemeint, dass Geschlecht ein Spektrum ist? Was ist Weiblichkeit/ Männlichkeit überhaupt? Auch ein kleiner Spickzettel ist am Anfang dabei, eben weil so viele Begriffe und Informationen auf die Lesenden zukommt, dass es nicht schadet, einige Wörter immer wieder nachschauen zu können. Im Anschluss folgen Kapitel darüber, was Biologie eigentlich mit Geschlecht zu tun hat, ob Geschlecht sozial konstruiert ist, was Geschlechtsidentitäten sind und welche es so gibt (Spoiler: so viele, dass nicht alle ins Buch passen), und was wiederum ein Geschlechtsausdruck ist. Ihr seid jetzt schon überfordert? Keine Sorge, Louie ist sich bewusst, dass dieser „Kram“ für viele Neuland ist und nimmt euch an die Hand! Das Buch ist das Gegenteil von einem trockenen wissenschaftlichen Text: es ist bunt, es ist persönlich, es ist niedrigschwellig. Fast auf jeder Doppelseite fängt ein neues kleines Thema an, sodass ihr jederzeit eine Verschnaufpause einlegen könnt, ohne danach nicht mehr den Weg zurückzufinden. 

Mitdenken, mitschreiben, mitreden, mitfühlen

Louie ist queer und dadurch ist Louies Perspektive sehr interessant und relevant für das Buch. Trotzdem kommen zahlreiche andere Stimmen zu Wort, beispielsweise als im Buch ganz vielen verschiedenen Geschlechtsidentitäten Raum gegeben wird. Louie bemüht sich wirklich sehr um Intersektionalität und Diversität und – soweit wir das anhand der Illustrationen beurteilen können – ist Louie das auch wirklich gut gelungen. Louie ist sich auch bewusst, dass das Buch niemals vollständig sein wird, thematisiert das zu Beginn des Buches genauso wie vorhandene Privilegien und gibt konkrete Kontaktdaten, über die die Lesenden Kritik äußern können. Was wir bei den erzählten Geschichten besonders mochten, ist, dass es nicht nur Leidensgeschichten waren, sondern viele schöne, berührende und hoffnungsstiftende und mutmachende Geschichten. 

Aber nicht nur Gastautor*innen dürfen in diesem Buch mitschreiben, sondern auch die Lesenden! Richtig gelesen, in dieses Buch dürfen und sollen wir reinschreiben! Es ist Platz für Reflektionen zu konkreten persönlichen Fragen oder Notizen zum eben Gelernten. Auch das macht es leichter, nicht von einer Lawine an Neuinformationen überrollt zu werden und lädt zum Innehalten ein. So bleibt auch viel mehr hängen, haben wir gemerkt. Wenn du beim Lesen des Buches zum Beispiel neue Gedanken zu deiner eigenen Geschlechtsidentität hast, wirst du direkt aufgefangen, denn auf jeder Seite wird Louis Message klar: „Es ist okay, wie du bist und was du machst!“ Für jedes Gefühl ist hier Raum. 

Ich hinterfrage gar nichts – fang ich mit dem Buch trotzdem etwas an? 

Ja! Das Buch bringt dir natürlich nicht nur etwas, wenn du dich mit deinem eigenen Geschlecht auseinandersetzen willst (auch wenn wir finden, dass das tendenziell eine gute Sache ist), sondern für alle Menschen, die etwas über das Thema lernen wollen. Einen leichteren Einstieg in das Thema kann es fast nicht geben, denn Louie tut wirklich alles, um die Komplexität zu entwirren. Egal, wie dein Vorwissen zu dem Thema ist, mit „Gender-Kram“ wird dein Horizont mit Sicherheit erweitert. Wenn dich einzelne Teile mehr interessieren als andere, kannst du auch leicht Seiten überspringen oder das Buch als Nachschlagewerk verwenden. Und auch wenn du es vorher nicht erwartet oder geplant hast, vielleicht lernst du trotzdem etwas über dich selbst. 

Das Buch lässt sich mit zwei Worten zusammenfassen: wunderschön & wohltuend. Es ist eine Freude für die Augen und – besonders, aber nicht nur, für queere Menschen – eine Freude für die Seele, dieses Buch aufzuschlagen. Je nachdem, aus welcher Perspektive du es liest, am Ende verstehst du: Es ist deine Entscheidung, wie und ob du dich labelst, es sind deine Gefühle und keine andere Person muss das verstehen, oder: du musst das alles nicht verstehen können, sondern nur respektieren und dem Thema Raum geben – und je mehr du dich informierst, desto besser klappt das. Wir können das Buch wirklich nur allen Menschen ans Herz legen, die offen sind, sich auf das Thema Geschlecht einzulassen. 

Dir hat der Beitrag gefallen? Teile ihn doch mit deinen Freund*Innen: