Das Recht auf Abtreibung gehört aufgeklärt! 

Puh, der 24. Juni 2022 war ein denkwürdiger Tag. Zwei Ereignisse sind passiert, das eine überfällig, das andere erschütternd: 

In Deutschland wurde der § 219a StGB, das Verbot für Gynäkolog*innen über Schwangerschaftsabbrüche zu informieren, endlich abgeschafft. Die Streichung ist ein feministischer Erfolg, der nicht trügen darf: Schwangerschaftsabbrüche sind in Deutschland immer noch verboten, wenn auch straffrei bis zur 12. Woche. Ein rechtlicher Missstand, den es als nächstes zu beheben gilt! Einfach wird das nicht: die antifeministische Welle lässt aktuell kaum ein Land aus. So hat am selben Tag der US Supreme Court das Recht zur Abtreibung bundesweit aufgehoben. Krass. Die einen jubeln, die anderen sind empört und in aller Munde ist plötzlich ein Urteil, das vor 50 Jahren ungewollt Schwangeren das Recht zur Abtreibung zugesprochen hat: Roe v. Wade. Der US Supreme Court von heute nennt das Grundsatzurteil von damals „von Beginn an völlig verfehlt“ („egregiously wrong from the start“). Willkommen zurück in den 70ern… Man könnte jetzt darüber sprechen, dass die Entscheidung des Supreme Courts im Detail darauf vorbereitet als nächstes Rechte wie die “Ehe für alle” oder den Zugang zu Verhütungsmitteln auszuhebeln (Ja, ihr habt richtig gehört, das ist wohl erst der Anfang und das ist wirklich skandalös! Mehr dazu hier). Oder darüber, dass ein mehrheitlich konservatives Gericht konservativ Recht spricht und Befürworter*innen diese politische Rechtsprechung als neutral verkaufen wollen (Von wegen! Rechte nicht vor Angriffen zu schützen ist nie neutral! Mehr dazu hier).  

Die Aufgabe der sexuellen Aufklärungsarbeit ist es jetzt allerdings, zu erklären: Was spricht denn eigentlich für ein Recht auf Abtreibung? Was spricht für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen? Und dafür gibt es gute Argumente, hier eine kleine Auswahl: 

Erstens: You can only ban safe abortion. Statistiken (hier) zeigen, dass ein Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen nicht dazu führt, dass weniger abgetrieben wird, sondern unsachgemäß. Die Anzahl der Abtreibungen ändert sich kaum. Das heißt: fehlerhaft, unter unhygienischen Standards, ohne medizinische Aufklärung, verbunden mit hohen Risiken für Betroffene. 

Zweitens: Pro Life schützt keine Leben (so nennen sich Abtreibungsgegner*innen und berufen sich auf den Schutz des ungeborenen “Lebens”), im Gegenteil: “Unsafe abortion is a leading – but preventable – cause of maternal deaths and morbidities”, so die WHO (Quelle). Ein Abtreibungsverbot ist also lebensgefährlich für ungewollt Schwangere.  

Drittens, und besonders wichtig: Der Zugang zu Abtreibungen ist und bleibt ein Privileg. Rassismuserfahrungen sind in der Gesundheitsversorgung Alltag – davon macht die reproduktive Gesundheitsversorgung keine Ausnahme. Zudem trifft ein Verbot insbesondere arme Menschen, die nicht die finanziellen Mittel haben, sich eine Reise in ein Land zu leisten, in welchem sie eine legale, sichere Behandlung erwarten können. 

Zu sexueller Aufklärung gehört über reproduktive Rechte zu informieren (Repro-was? Hier entlang). Die Streichung von § 219a StGB hat dessen Wichtigkeit ein für alle Mal klar gestellt. Zu guter sexueller Aufklärung gehört darüber hinaus Menschen Argumente an die Hand zu geben, um für diese Rechte einzustehen und so die Grundlage zu schaffen, sie fundiert zu verteidigen. Das Recht auf legale, sichere Schwangerschaftsabbrüche ist ein Menschenrecht, Schwangerschaftsabbrüche sind Health Care, und das letzte Wort ist noch nicht gesprochen.