„Ist das okay?“

Es ist Donnerstagabend, du sitzt beim Abendessen mit den Mitbewohner*innen. Der billige Rotwein schmeckt etwas billiger als erhofft, aber auf deinem Handy erscheint plötzlich eine Benachrichtigung der Dating-App, die du dir letzte Woche frustriert heruntergeladen hast. Ehe du dich versiehst, hast du dich am nächsten Tag auf einen Kaffee verabredet. Die Unterhaltung läuft unerwartet gut, hat man doch nur den gestrigen Abend miteinander geschrieben, und nach zwei Stunden schlägt die Person auf der anderen Seite des Tisches vor, dass ihr doch noch bei ihr etwas kochen könntet. In deinem Kopf geht das Ganze schon etwas weiter, und sobald ihr auf ihrem Sofa sitzt, wagst du dich, deinem Match von gestern den Arm um die Schulter zu legen. Was bis hierhin genauso gut eine Szene aus einer Rom-Com sein könnte, ist mir letztens quasi so passiert, nur lief es danach eben nicht so, wie es sich Adam Sandler in einem Film ausgesucht hätte, der auf Rotten Tomatoes irgendwo an der Grenze zwischen „Kompost“ und „Biomüll“ kratzt. Auf meine Frage, ob sie sich damit wohlfühlt, antwortete sie nach kurzem Überlegen: „eher nicht“. Aus dem Date wurde ein Gespräch über Themen, wie man sie bei einem ersten Treffen wohl normalerweise nicht hätte, wir haben uns noch knapp eine Stunde (sehr gut!) unterhalten, bevor ich den Heimweg angetreten habe. Und ehrlich – beim in die Bahn steigen fiel mir ein kleiner Stein vom Herzen. Im Nachhinein hätte ich mich wirklich unbehaglich gefühlt, wenn ich diese Frage nicht gestellt hätte, und daher möchte ich heute über genau folgende drei Worte ein paar solche verlieren: „Ist das okay?“ 

“ (…) patriarchale Gewalt ist allgegenwärtig, verborgen in unseren Verhaltensmustern und Denkweisen.“

Dieses kleine Sammelsurium an Gedanken richtet sich, der*die feministisch interessierte Leser*in hat es sich vermutlich schon gedacht, vor allem an Menschen wie mich: cis-Männer. Und eventuell erreicht es jemanden, der oder die vielleicht noch gar nicht so wirklich über genau dieses Thema nachgedacht hat und wirkt als kleiner Gedankenanstoß, denn patriarchale Gewalt ist allgegenwärtig, verborgen in unseren Verhaltensmustern und Denkweisen. Oftmals springt der Kopf sofort zu Femiziden, wenn man diesen Ausdruck hört, aber sie manifestiert sich auch auf Tinder-Dates oder in anderen alltäglichen Momenten, denn vielmals drückt sie sich aus, und das ist natürlich sehr vereinfacht und abstrakt formuliert, wenn FLINTA*-Personen keinen Raum haben, um ihren Konsens geben zu können. 

„Denn auch wenn es uns vielleicht nicht immer klar ist, oftmals fühlen sich andere Menschen unwohl dabei, zu widersprechen.“

Konsens ist nicht nur wichtig, wenn es um den Arm über die Schulter geht. „Ist das okay?“ ist immer angemessen, dann, wenn man sich eben nicht sicher ist, was die Grenzen der Person auf der anderen Seite sind. Das kann der erste Kuss sein, das kann der zweite oder dritte Kuss sein, das kann der Griff an den Gürtel vor dem Sex oder der Griff an den Hals beim Sex sein. Ganz egal welche Situation, nichts schafft mehr Raum als das Gefühl zu bekommen, dass Dinge nur mit der eigenen Zustimmung geschehen können. Natürlich möchte ich hier nicht dazu anregen, beim nächsten Falafel-Kauf zu fragen, ob es jetzt auch wirklich in Ordnung ist, wenn man noch eine Cola dazu nimmt. Es geht vielmehr darum, sich in die Situation der anderen Person hineinzuversetzen: Könnte etwas, das ich gern tun würde, eine Grenze überschreiten? Denn auch wenn es uns vielleicht nicht immer klar ist, oftmals fühlen sich andere Menschen unwohl dabei, zu widersprechen. Genau aus diesem Grund ist „Ja dann soll sie es halt kommunizieren“ nicht der richtige Ansatz, weil es oft nicht ganz so einfach ist, wenn irgendeine Art von Druck, gesellschaftlich oder anderer Natur, auf der Person lastet. 
Nur durch proaktives Handeln können wir erreichen, dass sich wirklich etwas ändert, und niemand von uns ist gern in Situationen, in denen Verhalten übergriffig wird, egal auf welcher Seite. Deshalb möchte ich hier abschließend einen kleinen Appell an ebenjene cis-Männer richten: auch wenn ihr euer Verhalten als unproblematisch einschätzt, es schadet nie, nachzufragen, ob auch wirklich okay ist, was ihr da gerade vorhabt. Hinterfragt euer Verhalten, denn nur so können wir Gesellschaftsstrukturen durchbrechen, die viele Menschen belasten.