Laut sein

Was mir Dr. Sommer nicht erzählt hat…

Eine Kolumne von Jona Wildwux

Laut sein. Beim Sex. Das bin ich. Gerne. Es sei denn ich weiß um andere Menschen in derselben Wohnung. Manchmal kann ich das ganz wunderbar ausblenden. Denn der Moment ist der Moment im Genussrausch. Manchmal erschrecke ich, wenn ich wieder auf dem Boden gelandet bin und werde mir Mitbewohnern und deren Besuch bewusst. Oder auch der Nachbarn, die durchs offene Fenster vielleicht sogar für’s Konzert gezahlt hätten. 

Gilt lustvolles Stöhnen und Deep-Talk, der sich in keine Lautstärkezensur zwängt, als Lärmbelästigung? 

Zwischen 22 und 6 Uhr gilt Nachtruhe. Fühlt sich Mensch in dieser Zeit durch sexuelle Aktivitäten akustisch penetriert, darf er dies als Ruhestörung melden und so kann die Angelegenheit sogar zur Ordnungswidrigkeit werden. Mieter umliegender Wohnungen können sogar Mietminderung beim Vermieter erwirken, sollte dieser den „Lärm“-Verursachern nicht Einhalt gebieten können. Das wird denen wiederum teuer zu stehen kommen. 

Es gab Fälle, da wurde die Polizei alarmiert, weil Mensch annahm, es geschehe etwas Bösartiges auf der anderen Seite der Wand. Und auch die, bei denen Mensch sich einfach gestört fühlte oder sich mit seinen Kindern keiner häuslichen Aufklärungsphase widmen wollte. 

Ich selbst wurde (ohne Scheiß) schon einmal aus einer Wg gemobbt, weil ich als „zu laut“ bei meinen sexuellen Ausschweifungen empfunden wurde, auch wenn das über 15 Jahre her ist. 

Wenn ich mich so zusammenreiße, und das mindestens während der Hälfte meiner Aktivitäten, wirbeln manchmal Funken von Wut auf, die beim Niedersinken kleine Löcher in mein Lustempfinden brennen. Und etwas was ich nicht gerne zugebe: es kommt vor, dass ich mich schäme. Wenn ich mir vorstelle gehört zu werden von Menschen, deren Missgunst ich beim nächsten Blick in die Augen zu spüren bekomme. Dann ist mir, als seien sie mit von der Partie gewesen. Wie beim Gruppensex, nur das ich mir nicht aussuchen konnte wer dabei ist. Die andere Person ebenfalls nicht. Denn ob sie wollte oder nicht, kroch mein intimes Vergnügen doch ungefragt in ihre Privatsphäre. Wut und Scham also. Wut, weil ich das Ausleben meiner Lust für Andere beschneide. Scham, wenn ich es nicht tue. 

Was bedeutet das für die, denen mein „mich zurücknehmen“ gilt. Den Mitbewohner nicht mit akustischen Reizen von seiner Bachelorarbeit abgelenkt zu haben. Die Mitbewohnerin die vor zwei Wochen einen sexuellen Übergriff erlitten hat, nicht zu retraumatisieren und den*die Nächste*n nicht daran zu erinnern, dass sie*er seit 5 Jahren trotz Sehnsucht keine Berührung mehr erfahren hat. 

Was bedeutet das für mich. -… nich so geil. Auch wenn es sehr reizvoll sein kann suuuper leise zu sein oder es einfach von sich aus so ist. Auch, wenn es sich gut anfühlt mit seinen Mitmenschen so verbunden zu sein, dass Rücksichtnahme selbstverständlich ist und ich sie ebenso erfahren darf, von Anderen. 

 Es ist und bleibt ein Kompromiss. Ein Guter. Oder was sagt Ihr?