Lust

Was mir Dr. Sommer nicht erzählt hat…

Eine Kolumne von Jona Wildwux

Hat man nicht immer. Nicht auf Alles. Unter Umständen und von Mensch zu Mensch unterschiedlich und mehr oder weniger. Man hat sie auch nicht immer von jetzt auf gleich und manchmal braucht sie Zeit oder Anstöße. Egal um welche Art von Lust es geht. 

Manchmal haben wir auf etwas Lust, was wir noch nicht kennen. Lust was Neues zu erleben, ein unbeschrittenes Terrain zu erobern. Was uns dabei begegnet ist offen. Es kann erfüllend wie abstoßend enden. 
Ich machte eine spannende Erfahrung. Ich hatte Lust auf Kontakt. Mit einer Unbekannten. Sie hatte ab und an Fotos von mir geliked und fing an, mir schmeichelnde Emoticons zu schicken. Ich entschied Konversation zu betreiben. Das war nett. Wurde ganz bezaubernd und dann… unerwartet. Wir sprachen über unsere Vorlieben und Neigungen und was wir gerne miteinander tun würden, könnten wir uns treffen. Bis zu einem bestimmten Punkt hatte ich das Gefühl, mich in meiner Komfort-Zone zu bewegen. Doch die Frau am anderen Ende der Leitung zeigte mir einen Weg, der weiter führte. Geradewegs in eine dunkle, feuchte, von mir allgemein noch unerforschte Zone. Den Hintereingang. Sie nahm mich mit auf eine imaginäre Höhlenerkundung. Ich flog mit ihr auf einer faustgroßen pinken Bowlingkugel in die Tiefen ihrer Psyche und ihres Körpers. Wir erlebten Abenteuer in den Turbulenzen unerwarteter Darmschlingen, Pfützen und Geschichten über Klabusterbärchen. Sie mochte das. Sehr. Nein, sie fuhr völlig drauf ab, trotzdem bemüht genügend Raum für ihre und meine Vorsicht zu lassen.  

Analsex. Ja. War noch nie mein Liebling. Die meiste Zeit meines Sexuallebens sparte ich die Existenz meines Popoloches aus. Und nur wenn meine männlichen Partner mehrfach Interesse daran bekundeten, ließ ich zaghaft etwas zu. Erstens fühlte es sich selten angenehm oder gar lustbringend für mich an. Zweitens bin ich chronisch Magen-Darm-krank. Oft genug fühlt sich mein Ausgang etwas mitgenommen an. Da brauche ich nicht noch mehr Reizung. Drittens ist da die Angst vor der Kacke. Was ist wenn es riecht und was mit rauskommt? Selbst wenn es vorkam, dass ich meine Partner mit dem Finger oder einem Strap-On Anal befriedigte und keine Probleme mit dem Thema hatte, nahm mir das nicht die Scheu vor dem Eigenen.  

Und somit gestaltete sich mein Cyber-Sex-Erlebnis als sehr wertvoll für mich. Ich durfte erfahren, wie achtsam und ausgiebig man mit dem Thema umgehen kann und noch nicht mal im selben Zimmer sitzen muss um sich gemeinsam zu erforschen. Eine Erfahrung anderer Art. Was mich ebenfalls sehr beeindruckte- die Frau, die sich mir da offenbarte! Sie versicherte und erkundigte sich immer wieder, wie weit sie gehen dürfe mir ihre Wünsche zu beschreiben und auch Erlebnisse, die das verdeutlichten, was sie wollte. Sie empfand sich als „zu heftig“ mir gegenüber, die da noch etwas grün hinter den Ohren war. Sie fürchtete, mir „zu abartig“ zu sein. Gar pervers. Mich berührte das und fühlte deutlich, dass ich Neuland betrat, aber die Lust die sie auf Dinge hatte, deren Möglichkeit mir noch nicht einmal klar waren, machte mir Lust! Sehr sogar. Und so sagte ich ihr immer wieder zu, dass ich die ein oder andere Vorstellung für mich erst mal bestaunenswert oder eigenartig empfand, mich ihre Erregung aber mitnahm. Auf eine Reise, die sich steigerte und steigerte. Ich erlebte, dass es mir egal war ob meine gewohnte Ästhetik darin Platz fand oder nicht. Es ging mir darum, Teil ihres Lust-Exkurses sein zu dürfen. Bisher wollte ich mich eher nicht auf Situationen einlassen, die mir nicht entsprachen und hatte es schwer Erlebnisse zu verarbeiten, bei denen ich etwas mitmachte, aber keine Lust verspürte. Hier war das anders, ihre Lust machte mir Lust. Pervers war in diesem Fall der Hammer! Weil sie respektvoll damit umging. Weil ich sie spüren konnte. Und gleichzeitig ihre Fähigkeit und Willen, sich sofort zurückzunehmen, wenn ich eine Vorstellung nicht mochte. 

So wildfremd wie mir Madame X war, so nah war mir jetzt ihr Fetisch. Das bestärkte mich noch mehr in meinem Bewusstsein, selbst auch zu meinen zu stehen. Es war ein erfrischendes Erlebnis, das mich bereichert hatte. Anders als beim letzten Techtelmechtel, als mir der Typ ungefragt in den Mund spucken wollte. Sich gegenseitig zu fragen, ob man dies und jenes gerne hat oder zulassen oder ausüben möchte, empfinde ich daher mittlerweile als sehr lustbringend und absolut notwendig um den sicheren Rahmen zu schaffen, den es für Vertrauen und Hingabe benötigt. Lange glaubte ich, es läge ein gewisser Zauber darin, das Geschehen einfach wild laufen zu lassen und ohne Versicherung, Ab- und Rücksprachen alles mitzumachen, “der Lust zuliebe”. Ganz so wie Pornos es einem eben suggerieren. Und weshalb? Um den Subspace zu erreichen, für dein Gegenüber „die geilste Sau“ zu sein, in Trance zu fallen oder um danach das Gefühl zu haben, nicht mehr zu wissen was man getan hat und sich dabei besonders gefährlich und anders fühlt, wie „ne geile Sau“ eben, nur für mein eigenes „LevelUp“. Am Ende hat sich mein Bewusstsein früher oder später doch meistens aus dem tiefen Keller gemeldet um mir die typischen Verletzungen der Grenzüberschreitungen zu zeigen, die ich da an mir begangen/zugelassen hatte. Und dabei möchte ich nicht ausklammern, dass dazu meistens zwei gehören. Das jedoch ist ein komplexes und anderes Thema. 

Also… FREE YOUR FETISH (falls du einen hast) und steh zu deiner Lust! Denn im achtsamen Umgang damit, schafft das NOCH MEHR LUST!