Scham: Check your privileges!

Wer über Scham redet, muss auch über Privilegien reden. Ich schäme mich dauernd, bestimmt täglich, für irgendetwas – und trotzdem ist es wichtig, mir vor Augen zu halten, wie verdammt privilegiert ich in diesen Situationen bin. Tust du das auch?


Ich bin eine weiße cis Frau (cis = ich identifiziere mich mit dem Geschlecht, das mir bei meiner Geburt zugewiesen wurde). Ich erfahre Diskriminierung, weil ich eine Frau bin, aber ich bin auch unglaublich privilegiert, weil weiß bin, weil ich cis bin, weil ich dünn bin. Wenn ich beschließe, am See meinen Bauch in die Sonne zu halten, dann mag mich das vielleicht Überwindung kosten, denn natürlich darf auch ich meine Unsicherheiten haben. Trotzdem entspreche ich mit meiner Hautfarbe und meiner Figur dem westeuropäischen Schönheitsideal und deshalb ist es eben nur eine Unsicherheit und keine Angst. Wenn ich meine Beine nicht rasiere, dann darf ich mir zwar garantiert doofe Sprüche anhören, aber ich erfülle immer noch dieses Schönheitsideal und schlimmer als eine oder zwei Bemerkungen wird es vermutlich nicht werden.

Eine Person, die von dieser gesellschaftlichen Norm abweicht, weil sie beispielsweise dick ist oder of Colour oder trans*, muss mit Diskriminierung, body shaming oder sogar verbaler oder physischer Gewalt rechnen, in Alltags-  und erst recht in Badekleidung am See. So einer Person zu sagen „Schäm dich einfach weniger!“ wäre dreist – nicht, weil diese Personen sich schämen sollten, sondern weil ihnen garantiert öfter als mir das Gefühl gegeben wurde, dass sie sich schämen müssten. Anders als eine trans* Frau lebe ich nicht mit dem Druck, anderen mein Geschlecht “beweisen” zu müssen. Wenn ich behaarte Beine habe, wird das vielleicht als “unweiblich” bezeichnet, aber niemand wird mir tatsächlich meine Weiblichkeit absprechen wollen.

Wir leben in einer Welt, in der es leichter ist, wenn man sich anpasst und die Erwartungen anderer erfüllt, das steht außer Frage. Deshalb können wir nicht von marginalisierten Gruppen erwarten, dass sie sich noch mehr in Gefahr bringen als sie sind. Wir dürfen von keiner Person verlangen, sich Normen zu widersetzen und sich z.B. nicht zu rasieren – wenn wir alle wissen, dass es leichter ist, wenn wir einfach tun, was man von uns erwartet. Jeder Mensch kann Feminist*in sein, auch mit rasierten Beinen. Wir dürfen keine Person dafür verurteilen, sich das Leben leichter zu machen und vielleicht sogar Gefahr zu vermeiden.

Also – check your privileges: Uns allen fällt es schwer, uns selbst zu lieben, aber manchen wird es schwerer gemacht als anderen.

– Dieser Artikel wurde von Leni im Anschluss an ihren Beitrag „Charmant und unverschämt“ vom 15.4. verfasst.