Ungerechtigkeit in der Verhütung – Methoden & Nebenwirkungen

Warum auf eine schusssichere Weste schießen und nicht die Waffe entschärfen?*

Verhütung ist derzeit größtenteils Frauensache. Welche Methoden es gibt und unter welchen Nebenwirkungen Frauen und ich leiden, ist Thema im folgenden Blogeintrag.

Mit 16 schien es so einfach zu sein. Täglich eine kleine Pille schlucken, die dir schöne Haut, große Brüste und einen regelmäßigen Zyklus bereitet. Es war ein Trend in meinem Freundeskreis. Ohne Murren und Zucken wurde mir die Anti-Baby-Pille verschrieben. Ich fühlte mich erwachsen.

Die Illusion verschwand schneller als gedacht. Wassereinlagerungen, extreme Stimmungsschwankungen und ein allgemeines Unwohlsein im eigenen Körper überfiel mich.

So entschloss ich mich nach 10 Monaten meinen täglichen Wecker um 20 Uhr zu deaktivieren und meine restlichen Packungen zu entsorgen.

Das Kondom war ab dem Zeitpunkt für mich das einzig sinnvolle Verhütungsmittel, das mich in meinem Leben als Single auch vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützte.

Seit ich nun in einer heterosexuellen Beziehung lebe, viel und spontan Sex habe, ist das Thema Verhütung für mich präsenter denn je. Ich führe eine gleichberechtigte Beziehung, jedoch wird uns hinsichtlich des derzeitigen Angebots an Verhütungsmitteln keine gleichberechtigte Auswahl geboten. Das bringt mich in Rage und setzt mich unter Druck. Warum ist Verhütung immer noch Frauensache? Warum sind die Nebenwirkungen derart gefährlich? Warum gibt es nicht mehr Verhütungsmittel für Männer? Und warum werde ich nicht hinreichend aufgeklärt und muss die Kosten selber tragen?

Die Bandbreite an Verhütungs-mitteln für Frauen(siehe Bild)

Die Anti-Baby-Pille ist trotz ihrer starken Nebenwirkungen das meistgenutzte Verhütungsmittel. Für 47% der erwachsenen sexuell aktiven Frauen und Männer ist sie die erste Wahl. Die Eizellreifung und der Eisprung werden durch künstlich hergestellte Geschlechtshormone gehemmt.

Zur hormonellen Verhütung gehört ebenso der Vaginalring, der in die Scheide eingeführt und nach drei Wochen wieder entfernt wird. Hier werden ebenfalls die Eizellreifung und der Eisprung durch zusätzliche Hormone verhindert.

Die Hormonspirale wird von dem*der Gynäkolog*in in die Gebärmutter eingesetzt und kann dort für 3-5 Jahre bleiben. Es wird eine geringe Menge von dem Gelbkörperhormon Levonorgestrel ausgeschüttet, das den Schleim im Gebärmutterhals dickflüssiger werden lässt und so undurchlässig für Spermien wird.

Die Hormonspritze wird von Ärzt*innen alle drei Monate injiziert und beeinflusst ebenso den Hormonhaushalt so, dass der Eisprung ausbleibt.

Das Hormonpflaster wird auf den Oberarm, Oberschenkel, Po oder Bauch geklebt und muss wöchentlich gewechselt werden und wirkt ebenso empfängnisverhütend.

Das Hormonimplantat wird in die Oberarminnenseite eingesetzt und nach drei Jahren wieder entfernt. Gleiche Wirkung, gleiche Nebenwirkungen.

Die hormonelle Verhütung ist durchaus hinsichtlich des guten Pearl-Index‘ vorteilhaft. Der Pearl-Index beurteilt die Sicherheit eines Verhütungsmittels. Es wird aber vorausgesetzt, dass die Methode fehlerfrei angewendet wird. Bei der hormonellen Verhütung liegt dieser zwischen 0,1 und 1,0. Das bedeutet, dass von 1000 Frauen, die ein Jahr das gleiche Verhütungsmittel verwenden, im Durchschnitt 1 bis 10 Frauen schwanger werden.

Alle hormonbasierten Verhütungsmittel weisen ähnliche Nebenwirkungen auf. Kopfschmerzen, Gewichtszunahme, Müdigkeit, Depressionen, Akne, Libidoverlust, vaginaler Ausfluss, Wassereinlagerungen, Infektionen der Vagina und Ovarialzysten sind nur ein Bruchteil der potentiellen Nebenwirkungen, die in den endloslangen Beipackzetteln aufzufinden sind.

Auch ich gab der hormonellen Verhütung noch einmal eine Chance. Meine Gynäkologin empfahl mir die Hormonspirale, da sie nur niedrig dosierte Hormone lokal abgebe. Des Weiteren machen meine Freundinnen gute Erfahrungen und schwärmen von einer schwächeren Periode und ihrem entspannten Sexleben. Ich ließ mir also überzeugt und mit Zuversicht die Spirale einsetzen und freute mich auf fünf Jahre Ruhe. Meine beste Freundin und ich nannten sie liebevoll Jenny. Statt Ruhe hatte ich jedoch drei Monate Stress. Surprise! Täglich Kopfschmerzen, Akne, Zwischenblutungen und Heulanfälle überfielen mich und belasteten mich und meinen Partner. Ich erkannte mich nicht wieder. Das wollte ich für Geschlechtsverkehr nicht in Kauf nehmen. Tschüss Jenny! Du wirst nicht vermisst.

Kupferbasierte Verhütungsmittel können eine Alternative sein.

Die Kupferspirale wird für fünf Jahre in die Gebärmutter eingesetzt. Der Kupferball kann bis zu fünf Jahre frei beweglich in der Gebärmutter liegen und die Kupferkette wird in der Gebärmutter fest verankert. Das freigesetzte Kupfer schränkt die Beweglichkeit und Befruchtungsfähigkeit der Spermien ein und der Hormonhaushalt wird nicht beeinflusst. Akne, Libidoverlust und Gewichtszunahme adé! Doch auch hier kann der Schein trügen: Zwischenblutungen, eine verstärkte Periode, psychische Probleme, ein Verrutschen der Spirale oder ein Verwachsen der Kette mit der Gebärmutter sind alles Erfahrungen, die meine Freundinnen gemacht haben. Auch ungewollte Schwangerschaften in meinem Freundes- und Bekanntenkreis traten auf. Und das, obwohl der Pearl-Index zwischen 0,3 und 0,8 liegt. Doch dieser gilt nur bei fehlerfreier Anwendung, bei der bspw. die Spirale nicht verrutscht.

Viele andere Verhütungsmittel bleiben der Frau dann auch nicht mehr übrig.

Das Diaphragma ist eine Kappe aus einer dünnen Latexmembran und wird mindestens eine halbe Stunde vor dem Geschlechtsverkehr in die Scheide eingeführt. Es muss von der Gynäkologin oder dem Gynäkologen exakt angepasst werden und alle sechs Monate auf die Größe kontrolliert werden. Das Diaphragma kann mit einem Spermien abtötenden Gel eingerieben werden, damit die empfängnisverhütende Wirkung erhöht wird. Spontan und sicher hört sich für mich anders an. Das zeigt auch der hohe Pearl-Index, der bei 12 liegt.

Für Frauen, die ihren Zyklus gut kennen, einen geregelten Tagesablauf haben und gut organisiert sind, kann die NFP-Methode die Lösung sein. NFP steht für Natürliche Familienplanung und funktioniert über das tägliche Messen der Basaltemperatur (Körpertemperatur beim Aufwachen) und die Dokumentation des Zervixschleims und der Veränderung des Muttermunds. Mit diesen Signalen kann der Tag des Eisprungs ermittelt werden und die Frau erkennt, wann sie fruchtbar oder unfruchtbar ist.

Die beschauliche Auswahl der Verhütungs-mittel für Männer (siehe Bild)

Ich wünschte, die Auswahl der Verhütungsmittel für Männer wäre auch so umfangreich. Derzeit gibt es jedoch nur zwei Methoden auf dem deutschen Markt: das Kondom und die Vasektomie.

Ersteres schützt als einziges Verhütungsmittel vor sexuell übertragbaren Krankheiten und ist daher vorteilhaft für Menschen mit mehreren Geschlechtspartner*innen. Dagegen spricht die fehlende Spontanität, das abgeschwächte Empfinden und das potentielle Reißen. Der Pearl-Index liegt bei 2-12.

Die Vasektomie ist ein operativer Eingriff unter örtlicher Betäubung, bei dem der Samenleiter durchtrennt wird, sodass keine Samenzellen mehr in den Samenerguss gelangen können. Die Erektion und der Orgasmus sind weiterhin möglich und die Sterilisation kann mit Erfolgschancen von 70-90% rückgängig gemacht werden. Ärzt*innen führen diesen Eingriff bei jungen Männern jedoch selten durch.

Über Coitus interruptus, das Rausziehen des Penis‘ vor der Ejakulation, muss ich hoffentlich keine Worte verlieren.

Es muss sich was ändern

Überforderung, Ungerechtigkeit und Ungleichberechtigung verspüre ich momentan. Ich will mehr! Ich will mehr Verhütungsmittel für Männer. Ich will unter weniger Nebenwirkungen leiden müssen. Ich will besser aufgeklärt werden.

Jana Pfenning und Rita Maglio habenBetterBirthControl gegründet und eine Petition gestartet, in der sie Folgendes fordern:

Gleichberechtigte Verhütung, eine Erweiterung des Marktes, eine bessere Aufklärung, eine Förderung der Forschung an Verhütungsmitteln, einen Systemwandel, die Erfüllung der Sustainable Development Goals und eine 100%ige Kostenübernahme von Verhütungsmitteln.

Zu dem Zeitpunkt des Verfassen dieses Blogeintrags (07.02.2021) haben bereits 71.000 Menschen unterschrieben. Wenn du Gleiches forderst und dich die aktuelle Verhütungslage genauso nervt wie mich, unterschreibe die hier Petition von BetterBirthControl.

Ich sehe ein Licht im Dunkeln und hoffe eines Tages einen Blogeintrag über neue, innovative Verhütungsmittel für Männer zu verfassen. Verhütungsspritze, Hormongel, die Pille für den Mann, das Vasalgel und das Samenleiterventil sind hoffentlich bald Realität.

* Gemeint ist hiermit, dass Männer theoretisch durchgehend fruchtbar sind und Frauen nur wenige Tage im Monat. Weshalb gibt es mehr empfängnisverhütende Methoden für die Frau?