Frauen mit Sternchen

Sprache ist Macht. Sprache schafft Bewusstsein. Diese Tatsachen sind in feministischen Bewegungen nichts Neues und wurden lang und breit diskutiert – aber nicht nur dort. Während Menschen in den Neunzigerjahren des letzten Jahrtausends für die Sichtbarkeit von Frauen durch die Doppelnennung oder den Schrägstrich (Mitarbeiter/in) kämpften, kämpfen wir heute für die Sichtbarkeit aller Geschlechter auch jenseits der Binarität Mann-Frau. Bei der „Gender-Debatte“ um geschlechtergerechte Sprache wird oft vergessen: Das ist nichts Neues und an den Schrägstrich haben sich auch die meisten Konservativen längst gewöhnt. 

Mittlerweile erkennt sogar unser Rechtsstaat an, dass es Menschen gibt, die weder Mann noch Frau sind und es gibt in Deutschland genauso viele Personenstände außerhalb wie innerhalb der Binarität, auch wenn diese bisher nicht allen Menschen, die weder (eindeutig/ausschließlich) männlich noch weiblich sind, offenstehen. 

Auch die Gesellschaft entwickelt sich weiter: geschlechtergerechte Sprache, die auch inter*, nicht-binäre und agender Menschen einschließt, findet sich inzwischen sogar in der Tagesschau. Viele Menschen wissen aber nicht so ganz genau, was das eigentlich bedeutet. 

Wird beispielsweise von Politiker*innen, Sportler_innen oder Wissenschaftler:innen gesprochen bzw. geschrieben, sind damit jeweils Männer, Frauen und inter*, nicht-binäre oder agender Personen, die sich weder unter „Männer“ noch unter „Frauen“ wiederfinden, gemeint. Trans* Personen gibt es in allen drei Kategorien, aber trans Männer sind selbstverständlich genauso Sportler wie cis Männer und trans Frauen sind Politikerinnen, keine Politiker*innen. 

Immer mehr Menschen bemühen sich aktiv um inklusive Formulierungen und möchten trans Personen mitdenken, ansprechen und tatsächlich „mitmeinen“ und das ist super! Viele von ihnen verstehen den Unterschied zwischen trans Männern, trans Frauen und Menschen anderer Geschlechter vielleicht nicht so gut und das ist auch in Ordnung, ein Schritt nach dem anderen. Inklusive, alle Geschlechter mitmeinende Formulierungen gibt es ja genug, wir können je nach Kontext beispielsweise von „Menschen mit Penis/ Vulva/ Uterus“ oder von „bei der Geburt männlich/weiblich eingeordneten Menschen“ sprechen. 

Als Sexualpädagoge und trans Mann werde ich jedoch in letzter Zeit immer wieder nach einer bestimmten Formulierung gefragt und sehe, dass es da ein Missverständnis gibt: Das Sternchen. Frauen*, Männer*, Mädchen*, Jungen*. Oder auch Sozialarbeiter*. 

Lasst es mich erklären: 

Frauen*, Männer*, Mädchen* und Jungen* mit * zu schreiben kommt aus einer deutschsprachigen feministischen Welle, in der das Konzept anderer Geschlechter in unserem Sprachraum, noch nicht in der Form wie heute, existierte. Auch binäre trans Personen – die es selbstverständlich schon gab – waren noch nicht so sehr Gegenstand der öffentlichen Debatte. 

Ein kleiner Auszug: 

„Für Mädchen, Ladies, Divas, Dykes 
Alle Sternchen mitgemeint 
Enkelinnen, Mütter, Omas 
Olympe, Lara, Simone und Rosa, 
Für Patinnen, Engel, Ikonen 
Tribaden, Ultras, Amazonen 
Bitches, inter, Weiber, Homos 
Hallo Hiphop hörst du Homos! 
Für Texterinnen, Femmes und Schwestern, 
Denkerinnen, Quings und Lesben, 
Für Butches, Blaustrümpfe und Fags 
Antifas, Freundinnen, Drags, 
Für Heldinnen und Kesse Väter, 
Lernende und heiße Feger, 
Gutmenschen, those who care, 
Für Königinnen, those who share.“ 

Alle Menschen, um die es in diesem Song geht, sind – wenn auch vielleicht nicht ausschließlich – Frauen. Sie sind Frauen*. 

Das * am Ende soll das Bewusstsein für die Vielfalt schärfen, die hinter dieser Schublade sonst einfach verschwindet. Die Vielfalt innerhalb einer Geschlechtskategorie. Es geht darum, sichtbar zu machen, dass ein Mensch auf viele verschiedene Weisen Frau* oder auch Mann* sein kann und das alle davon okay sind. Frauen, die auf der Baustelle arbeiten und Männer, die am liebsten Röcke und lackierte Nägel tragen. Manche von ihnen sind vielleicht auch trans*. Selbstverständlich gehört auch trans* als ein Adjektiv zu denen, die die Vielfalt innerhalb einer Geschlechtskategorie beschreiben, aber eben als eines unter vielen. Und es geht nicht darum zu sagen, ein trans Mann sei ein Mann*, aber kein Mann. Vielmehr geht es darum, dass trans Männer Männer sind, die sehr verschieden sind, einige tragen vielleicht ihre Haare lang, die Nägel bunt, lieben Make-up und Tanzen und Glitzer und Kleider, während andere lieber Hemden tragen oder Kapuzenpullover. Männer* weißt auf das alles hin. Ja, auch darauf, dass manche Männer auch eine Vulva haben und Brüste und keinen Penis, aber es kann auch andere Normen in Frage stellen. Männer* schließt auch die Männer ein, die cis sind und z. B. kaum Bartwuchs haben, diejenigen – ob cis oder trans – mit schöner und die mit krakeliger Handschrift, die mit Schuhgröße 36 und 52, 1,40 Meter große und 2,10 Meter große – und alle dazwischen. Es kann den Blick weiten darauf, dass nicht alle Männer weiß oder heterosexuell sind, asexuelle Männer, Männer mit Behinderung, Schwarze Männer, asiatisch gelesene Männer und Männer of Color sichtbarer machen. 

Das * wurde in diesem Kontext nicht für trans Personen erfunden und es sollte auch nicht so benutzt werden. Wer trans Männer bei “Männer” nicht mitmeint, ist auch bei der Benutzung von “Männer*” noch transfeindlich. Wer aber die Idee hinter Frauen* und Männer* zu Ende gedacht hat, ist nicht überrascht, wenn eine Frau oder ein Mann trans* ist. Vermutet es, aber auch nicht gleich, nur weil irgendetwas an der Person nicht dem Klischee entspricht. Das * soll Rollenbilder und Normen allgemein aufbrechen und uns befreien, es soll Vielfalt sichtbar machen und Mut machen, so zu sein, wie mensch ist: Als Mädchen*, Junge*, Frau*, Mann*, non-binary Person*, mit all unseren anderen Positionierungen und Eigenschaften. Das * soll verdeutlichen, dass die Personen, die mit einem Label gemeint sind (z. B. Frauen) eben nicht “alle gleich, alle Frauen” sind, sondern viele verschiedene Identitäten und Eigenschaften haben: Enkelinnen, Mütter, Omas, Butches, Divas, Dykes, Königinnen, Gutmenschen, und so weiter, wobei sich ja vieles davon auch wiederum überschneidet. Frauen* zeigt auf, dass Frauen weiß, Schwarz oder of color sein können, groß, klein, dick, dünn, kurzhaarig, langhaarig, handwerklich begabt oder weniger begabt und alles dazwischen. Ja, sie können auch trans* sein, denn das ist eine Eigenschaft wie andere auch. Das * soll uns – wie auch beim Gendern – irritieren und Denkmuster, Schablonen, Vorurteile, die uns ganz sicher an eine weiße, heterosexuelle, schlanke cis Person ohne Behinderung denken lassen, vermutlich aber auch noch an vieles anderes (z. B. “mittelgroße Brüste”, was auch immer das je nach Umfeld ist), aufbrechen und das kommt auch trans* Personen zu Gute. Aber es ist so viel mehr als das.  

Woher kommt diese Verwirrung? Es gibt eben keine Eindeutigkeit und gleichzeitig ist unsere deutsche Sprache, die lange als sehr präzise galt, leider ein bisschen eingerostet und kann die Wirklichkeit in puncto Gender schlecht abbilden. 

Die deutsche Sprache ist sehr, sehr binär. Wir haben kaum Berufs- oder Personenbeschreibungen für Menschen die keine/nicht nur Männer bzw. Frauen sind. Aus diesem Grund wählen manche Menschen, deren Geschlecht außerhalb dieser Binarität liegt, für sich selbst eine männlich bzw. weiblich gelesene Bezeichnung und verdeutlichen durch das * am Ende, dass das nur eine Annäherung an ihre Identität darstellt. Einige nicht-binäre Personen bezeichnen sich also selbst als Sportlerin* oder Wissenschaftler* und sind bei Sportlerin oder Wissenschaftler nicht mitgemeint. Weil es keine allgemeine sprachliche „dritte Option“ gibt. Dies ist also für sie gleichbedeutend, oder aus persönlichen Gründen angenehmer, als von sich selbst als Sportler*in oder Wissenschaftlx zu sprechen. Wie alle Selbstbezeichnungen ist das selbstverständlich zu akzeptieren und dann für diese Person auch so zu verwenden. Das ist aber grundsätzlich ein anderes Konzept, auch wenn es gleich aussieht, so wie Eis aus der Eisdiele und Eis zum Schlittschuhlaufen sprachlich gleich aussieht. Der Unterschied wird im Kontext klar oder manchmal auch nicht. 

Frauen* soll Vorurteile aufbrechen und das ist ein wichtiges Anliegen. Es sollte aber eben so verwendet werden, wie es gedacht ist: Vorurteile über Angehörige der genannten Gruppe aufbrechen und nicht Menschen mit “reinquetschen”, die doch klar sagen, dass sie nicht zu dieser Gruppe gehören. Möglicherweise kann es zu einer Überschneidung der beiden Konzepte kommen, falls eine Person sich z. B. nicht als Frau, wohl aber als Frau* identifiziert (als Selbstbezeichnung, da unsere Sprache eben so wenige Geschlechtsidentitäten abdeckt) und sich von einer Ausschreibung für Frauen* deswegen auch angesprochen fühlt. Wer allerdings Menschen aller Geschlechter mit einer bestimmten Eigenschaft oder generell alle Menschen ansprechen möchte, muss das auch genau so formulieren. Damit marginalisierte Menschen sich bei einem Angebot wohlfühlen, braucht es ohnehin meist mehr als eine geänderte Formulierung in der Ausschreibung.