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Ihr wollt einen Überblick über Thematiken wie die des Patriarchats, Feminismus und der männlichen Perspektive erhalten? Dann ist dieses Buch, das außerdem in wenigen Stunden zu lesen ist, etwas für euch.

JJ Bola: Sei kein Mann – Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist

First things first: Was haben wir gelesen? 

Im Juli haben wir uns mit dem Buch “Sei kein Mann – Warum Männlichkeit ein Albtraum für Jungs ist” von JJ Bola beschäftigt. Das Buch mit 157 Seiten erschien 2020 in deutschsprachiger Fassung im Carl Hanser Verlag GmbH & Co.KG München, die englischsprachige Originalausgabe wurde 2019 in London veröffentlicht. JJ Bola ist nicht nur Autor, sondern auch Aktivist. Er kommt aus dem Kongo, ist im Alter von sechs Jahren geflohen und in London aufgewachsen. Der Autor engagiert sich im Kampf gegen Rassismus und berichtet über Erfahrungen zum Thema Migration und Männlichkeit. Wie der Titel des Buches schon verrät, setzt sich Bola in seinem Werk mit dem Thema Männlichkeit kritisch auseinander und geht dabei unter anderem darauf ein, was es bedeutet, in der heutigen Gesellschaft als Junge beziehungswiese Mann aufzuwachsen und sozialisiert zu werden. 

“(…) ein System, das Männern Privilegien gewährt, aber für die Mehrheit der Männer ist das System nicht vorteilhaft”

(JJ Bola, “Sei kein Mann”, Seite 83) 

Den Inhalt dieses Buches auf den Punkt zu bringen ist – mal wieder – absolut keine einfache Aufgabe. Der Autor wirft auf relativ wenigen Seiten so viele Themen auf, dass es schlicht unmöglich ist, hier alle davon aufzuzählen. Müsste ich kurz und knapp sagen, worum es geht, würde ich folgendes sagen: JJ Bola schildert in seinem Buch, welchen Einfluss patriarchale Strukturen auf Männer haben, insbesondere auf deren Erfahrungen mit ihrer “Männlichkeit”. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass Feminismus eine vorteilhafte Bewegung sowohl für Frauen als auch für Männer ist. 

Seine Aussagen untermauert der Autor mit Erfahrungsberichten, aber auch Statistiken und schildert immer wieder einzelne Beispiele. Er geht beispielsweise auf die Pornokultur, Politik, die Bedeutung von Gewalt für die Männlichkeit und psychische Krankheiten bzw. Gesundheit und deren Einfluss ein. Schließlich erwähnt Bola, weshalb er selber sich nicht als Feminist bezeichnen würde (lest selbst!) und wieso er es für sinnvoller erachtet, nicht von “Männlichkeit” sondern von “Männlichkeiten” zu sprechen. 

Insgesamt schafft JJ Bola es, auf wenigen Seiten mehr Themen anzureißen, als wir es für möglich gehalten hätten. 

Jetzt mal ganz ehrlich: Was denken wir? 

“Sei kein Mann” gilt als Sachbuch, allerdings sind wir zu dem Schluss gekommen, dass es das für uns nicht ist. Es handelt sich eher um eine Sammlung von Erfahrungsberichten, ein “ausformuliertes Notizbuch”, denn genau so liest es sich: Aneinander geknüpfte Gedanken, deren Zusammenhang an manchen Stellen nicht ganz deutlich wird. Bola schreibt aus seiner persönlichen Welt heraus, wodurch das Buch definitiv an Authentizität gewinnt und nahbarer wirkt. Dennoch findet sich häufig kein roter Faden, der dem Buch Struktur verleihen würde. Ähnlich sieht es mit den Kapitel- und Unterüberschriften aus – sie geben kleine Anhaltspunkte, tragen aber nicht immer dazu bei, dass die Struktur nachvollziehbarer wird. Der Autor leitet seine Kapitel häufig mit Zitaten bekannter Persönlichkeiten aus dem “8 club” vom Young Vic Theatre (schaut mal auf YouTube!), die sehr catchy sind und häufig schon zu Beginn auf den Punkt bringen, was Bola ausdrücken möchte. 

Eins muss man dem Buch auf jeden Fall lassen: JJ Bola reißt eine Menge von Themen an, wodurch dem*der Leser*in überhaupt erst bewusst wird, wieviel mit dem Thema “Männlichkeit” überhaupt zusammenhängt, was eine Vielzahl an Querverbindungen und möglichen Erfahrungen es gibt. Manchmal hatten wir auch das Gefühl, JJ Bola wollte so viel schreiben, dass er gar nicht wusste, worüber er eigentlich schreiben sollte. Leider fehlte uns außerdem an einigen Stellen die Tiefe, wirklich viel Wissen ist nicht hängen geblieben, dafür wurde ein Gefühl vermittelt, das schwer in Worte zu fassen ist. Am ehesten treffen es wahrscheinlich noch “oha” und “uff” – sehr umgangssprachlich, aber ihr wisst mit Sicherheit, was wir meinen.  

JJ Bola als PoC (Person of Color) schreibt sein Buch vor allem auf der Ebene von Race sehr inklusiv: Er geht nicht nur auf Männer und Männlichkeit an sich ein, sondern auch auf Intersektionalität – das bedeutet das Zusammentreffen der “Schwierigkeiten”, die mit Männlichkeit einhergehen und denen, die mit Hautfarbe, Sexualität usw. zusammenhängen. Gegendert wird in der Übersetzung allerdings nicht – er adressiert immer entweder Männer oder Frauen. Damit bewegt er sich innerhalb der geschlechtlichen Binarität und unserer Meinung nach gäbe es hier, was Inklusion angeht, noch Potential. Trotzdem gelingt es JJ Bola zumindest innerhalb des Binären mit Geschlechterrollen aufzubrechen: Allein schon indem er sagt, es gibt nicht die eine “Männlichkeit” macht er deutlich, dass auch Männer nicht die ihnen von der Gesellschaft vorgeschriebene Rolle einnehmen müssen. 

Im Englischen trägt das Buch den Titel “Mask off – Masculinity redefined” und diesen Titel finden wir persönlich etwas treffender. “Sei kein Mann” ist sehr auffallend und sorgt dafür, dass Leser*innen bestimmt zu dem Buch greifen, wenn sie es irgendwo im Laden sehen. Allerdings vermittelt der deutsche Titel unserer Meinung nach nicht das, worum es wirklich geht. 

Empfehlen wir das Buch weiter? 

Wir sagen: Ja! Das Buch eignet sich insbesondere für Einsteiger*innen, die sich gerade neu mit der Thematik des Patriarchats, Feminismus und der männlichen Perspektive auf eben diese Themen beschäftigen. Dass uns manchmal die Tiefe in den einzelnen Kapiteln gefehlt hat lässt sich wahrscheinlich damit begründen, dass wir uns schon sehr viel mit alldem beschäftigt haben – um einen Überblick zu bekommen, eignet sich das Buch aber hervorragend. Erfrischend ist zudem, mal aus einer anderen Perspektive über Themen lesen zu können, über die in der Regel Frauen berichten, nämlich aus der eines Mannes. Von daher kann das Buch sich auch durchaus für schon Erfahrenere eignen, die Wissen vertiefen möchten. Über Sexualität spricht der Autor zwar nicht hauptsächlich, aber das war auch gar nicht unser Anspruch an das Buch. 

Wenn ihr also ein Buch sucht, das ihr in wenigen Stunden durchlesen könnt und das euch einen guten Überblick verschafft: Here you go! 

Wir geben dem Buch 4 von 5 Sternen. 

Wenn ihr mehr über JJ Bola erfahren wollt, schaut doch mal hier vorbei: https://www.hanser-literaturverlage.de/autor/jj-bola/  

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